Der Semmering – Kulturlandschaft im Wandel
Der Semmering ist nicht nur eine bedeutende geografische Landmarke, sondern auch ein historisch und kulturell vielschichtiger Raum. Seine beeindruckende Naturlandschaft – geprägt von der Längstalfurche, dem Semmeringmesozoikum und der markanten Kalkalpenkulisse – bildet seit jeher den Rahmen für eine bewegte Geschichte der Nutzung und Erschließung.
Bereits im Mittelalter spielte der Semmering eine wichtige Rolle als Verkehrsweg: Vom Saumpfad entwickelte sich der Pass über Jahrhunderte hinweg zu einer zentralen Transitstrecke zwischen Nord und Süd. Mit dem Bau der Semmeringbahn 1854 wurde nicht nur ein technisches Meisterwerk vollbracht, sondern auch der Grundstein für die touristische Entwicklung gelegt. Die Bahn erschloss die Region erstmals breitenwirksam und machte den Semmering zur begehrten Sommerfrische des gehobenen Wiener Bürgertums.
Der Juni-Beitrag unseres RAILBlogs stellt einen Artikel vor, der im Rahmen der GEOGRAZ-Reihe des Instituts für Geographie und Raumforschung der Karl-Franzens-Universität Graz erschienen ist. Unter dem Titel „Der Semmering – kulturlandschaftliche Persistenzen und aktuelle Entwicklungen eines traditionellen Tourismusortes“ werden drei zentrale Aspekte behandelt: Tourismus, Verkehr und Naturlandschaft.
Vom mondänen Rückzugsort zur zeitgeistigen Destination
Die Tourismusgeschichte des Semmering beginnt mit der Entstehung der „Sommerfrische“. Prachtvolle Hotels wie das Südbahnhotel (1882) und das Hotel Panhans (1888) verwandelten die Region in einen mondänen Rückzugsort der städtischen Oberschicht. Nach einem touristischen Niedergang ab den 1950er-Jahren wird seit den 1980er-Jahren aktiv an einem Relaunch gearbeitet. Die heutige Tourismusregion Wiener Alpen in Niederösterreich greift dabei bewusst auf historische Begriffe wie „Sommerfrische“ zurück, um mit neuen Angeboten, sportlichen Aktivitäten und innovativen Konzepten, die Tradition und Moderne verbinden neue Zielgruppen zu gewinnen.
Verkehrswege im Wandel
Auch die Rolle des Semmeringpasses als Verkehrsachse hat sich stetig gewandelt. Die Semmeringbahn steht seit jeher für die Überwindung alpiner Barrieren und ist seit 1998 UNESCO-Welterbe. Parallel dazu wurde mit der Semmering-Schnellstraße (ab 1975) eine neue Verbindung geschaffen. Der aktuell in Bau befindliche Semmering-Basistunnel (Fertigstellung voraussichtlich 2030) markiert die nächste Phase dieser infrastrukturellen Entwicklung.
Naturraum mit Charakter
Die besondere landschaftliche Qualität des Semmerings ergibt sich aus seiner Lage an der Grenze zwischen Nördlichen Kalkalpen, Grauwackenzone und Zentralalpen. Der kleinräumige Gesteinswechsel sorgt für eine große Reliefvielfalt und spektakuläre Ausblicke – darunter der berühmte „20-Schilling-Blick“. Aussichtswarten und Panoramaplattformen inszenieren diese Naturkulisse auf eindrucksvolle Weise.
Ein Spaziergang durch Geschichte und Landschaft
Zum Abschluss des Artikels wird eine Route mit elf ausgewählten Standorten vorgestellt, die exemplarisch die historischen, architektonischen und landschaftlichen Besonderheiten des Semmerings erlebbar machen. Die Route beginnt am Bahnhof Semmering und führt unter anderem zur Villenstraße, zum Kurhaus, zu mehreren Aussichtspunkten, zum Südbahnhotel, zur Hochstraße, zum Hotel Panhans und zur Emmahöhe. Sie verdeutlicht, wie eng hier technischer Fortschritt, landschaftsästhetische Inszenierung und touristische Innovation miteinander verwoben sind – und wie anspruchsvoll es ist, dieses Erbe zukunftsfähig weiterzuentwickeln.
Der vollständige Artikel ist online verfügbar – reinschauen lohnt sich!
Dormann, Johann ; Lieb, Gerhard Karl ; Weinzierl, Hannes:
Der Semmering – kulturlandschaftliche Persistenzen und aktuelle Entwicklungen eines traditionellen Tourismusortes.
In: GEOGRAZ, (2022) H. 70. Steiermark - Neue Forschungen und Entwicklungen, 38-48 (11 Seiten)