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 Kaiser Franz Joseph und seine Bahnen

Abbildung: Zuggarnitur aus der Anfangszeit der EisenbahnDer Autor Dr. Roman Gröger Vom Beginn der Regierungszeit Kaiser Franz Josephs bis zu seinem Tod wurden beinahe sämtliche Strecken des heutigen österreichischen Eisenbahnnetzes erbaut.
Zunächst hatte der Staat erkannt, welche Einnahmemöglichkeiten der Betrieb einer Eisenbahnstrecke bot. Diese erste, kurze Staatsbahnperiode endete jedoch relativ rasch, da die Monarchie in Folge eines verlustreichen Krieges in finanzielle Schwierigkeiten geriet. Die folgende Phase der Privatbahnen kam allerdings nicht wirklich in Schwung und wurde durch die Krise ab 1873 noch mehr behindert. Als sich die ökonomischen Voraussetzungen wieder gebessert hatten, leitete der Staat eine neue Periode der Staatsbahnen ein, die in der Einrichtung eines eigenständigen Eisenbahnministeriums, das in seiner Funktion einzigartig in Europa bleiben sollte, seinen Ausdruck fand.

Die errichteten Strecken hatten aber neben handelspolitischen Gesichtspunkten vor allem auch den militärischen Wünschen zu entsprechen, da die Eisenbahnen das Rückgrat des Aufmarsches darstellten, wie es sich besonders im Ersten Weltkrieg bewahrheiten sollte. Auch für Reisen verschiedenster Art benützte der Kaiser den schnelleren Zug gegenüber den langsamen Pferdewagen. Bald schon erkannten die Eisenbahngesellschaften, dass hierfür eine besondere Ausstattung notwendig war und entwickelten letztlich einen vollständigen Hofzug. Dieser bot nicht nur Bequemlichkeit für den Monarchen, sondern nahm auch auf seinen Tagesrhythmus und seine Aufgaben Rücksicht.

Im Namen des Kaisers

Unter all diesen Gesichtspunkten ist auch die Gründung jener Eisenbahngesellschaften zu verstehen, die den Namen des Kaisers trugen. Neben der Kaiser Franz Joseph-Bahn, deren Geschichte bereits durch zahlreich erschienene Literatur erschlossen ist, muss hierbei die Orientbahn genannt werden. Dieses ambitionierte Projekt sollte die beträchtliche Lücke zwischen der südlichen Staatsbahn und der Wien-Raaber-Bahn schließen. Schon bald formierten sich Interessenten, diese freien Flächen zu ihren Gunsten zu füllen. Allerdings waren es die Folgen der niedergeschlagenen „Revolution“ 1848/49 in Ungarn, die der österreichischen Staatsverwaltung neue Möglichkeiten eröffnete.
Der erste Eisenbahnplan für das gesamte Königreich Ungarn sah nun eine Verbindung nach Triest vor. Zahlreiche Komitees wurden gebildet, die zumeist unter der Führung von weitgereisten Männern standen. Außerdem hatten sich diese als kaisertreu bewiesen. So war es nicht weiter überraschend, dass sich diese verschiedenen Gruppen zusammenschlossen. Im Gegensatz zu den ursprünglichen Planungen ging es aber nun nicht mehr nur darum, Städte wie Budapest oder Ödenburg über Nagykanizsa an die südliche Staatsbahn anzuschließen. Die neuen und letztendlich konzessionierten Pläne sahen ein Netz von Eisenbahnstrecken vor, die von der Donau bis zur südlichen Staatsbahn den Raum erschlossen. Wien und Budapest sollten via Ödenburg miteinander verbunden werden, Güter- und Personenzüge aus der Residenzstadt nicht über den Semmering verkehren müssen und aus Budapest direkt nach Triest fahren können. Schließlich kam noch der Gedanke hinzu, in einer direkten Linie an die österreichisch-türkische Grenze zu gelangen, um dort eine Verknüpfung mit der in die Gegenrichtung geplanten Bahn errichten zu können.
Die wirtschaftlichen Interessen wurden von dem Projekt vollständig berücksichtigt. Dazu kam noch der Umstand, dass die beteiligten Banken die Möglichkeit erkannten, dem im Bahnbetrieb dominierenden Bankhaus Rothschild einen Widerpart bieten zu können.

Kaiser Franz Joseph selbst genehmigte das Projekt und gestattete, es mit seinem Namen zu verbinden.

Kaiser Franz Joseph-Orientbahn

Die Kaiser Franz Joseph-Orientbahngesellschaft engagierte namhafte Männer in Spitzenposition. Als Direktor fungierte Karl Etzel, als Chefingenieur niemand geringerer als Wilhelm Flattich.

Vor allem nach der Gründung, ungefähr die ersten 18 Monate des Bestehens der Gesellschaft, schien alles nach Plan zu laufen. Doch waren die äußeren Umstände gegen die Betreiber der Gesellschaft. Der Staat brauchte Geld und ein zusammenhängendes Bahnnetz. Die Lösung war naheliegend: Verkauf der staatlichen Bahnverwaltungen an Privatinteressenten und Zusammenfassung der regional ohnedies schon verbundenen Bahnstrecken in wenige Gesellschaften.
Für die Kaiser Franz Joseph-Orientbahngesellschaft bedeutete dies ein Aufgehen in der neu geschaffenen Südbahn-Gesellschaft. Diese stand unter der Kontrolle des Bankhauses Rothschild, das so gesehen einen Erfolg gegen die Konkurrenzbanken davontragen konnte. Knapp zwei Jahre nach ihrer Gründung übergaben die Gesellschafter die relevanten Unterlagen an die neuen Betreiber. Um ihnen den Abschied zu versüßen, wurden einige der ehemaligen Verwaltungsräte und Verantwortliche mit Spitzenpositionen bei der Südbahn-Gesellschaft betraut.

Die ursprünglichen Planungen wurden zum Teil weiterverfolgt und umgesetzt. Vor allem an den Bahnhofsbauten ließen sich die Entwürfe für die Kaiser Franz Joseph-Orientbahn erkennen.
Da der Kaiser durchaus als Förderer des Eisenbahnwesens gelten kann, trugen zwei Bahngesellschaften seinen Namen, die er beide für mehrere Jahrzehnte überleben sollte. Heute erinnert nur mehr ein Regionalbahnhof in Wien an das persönliche Interesse des Kaisers an den österreichischen Eisenbahnen.

Dr. Roman Gröger