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Zwischen den Fronten

Damals und Heute

Wie hat sich die Rolle der Eisenbahn in der Kriegsführung verändert

Die Eisenbahn spielt eine bedeutende Rolle in der europäischen und österreichischen Geschichte, insbesondere auch in Bezug auf Kriege und Konflikte vom 19. Jahrhundert bis heute. Wie wurde und wird das Transportmittel Eisenbahn für den Krieg instrumentalisiert. Welchem Wandel wurde diese Bedeutung im Laufe der Jahrhunderte unterzogen.
Vor 80 Jahren, am 8. Mai 1945, endeten mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht die Kampfhandlungen in Europa; die beiden Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki führten zur Kapitulation Japans am 2. September 1945 und damit zum Kriegsende des Zweiten Weltkrieges.
Diesem Gedenkjahr widmen wir den RAILBlog März mit einem Abriss der historischen Bedeutung von Eisenbahnen im Krieg und der Teilnahme am Kooperationsprojekt Liberation,Objects!

Liberation, Objects! 80 Jahre danach

Die Befreiung der Konzentrationslager erfolgte in den Jahren 1944/1945 durch die Alliierten. Sie war Teil der Befreiung vom Nationalsozialismus.
Die KZ-Gedenkstätte Mauthausen erzählt 80 Jahre nach Befreiung der österreichischen Konzentrationslager und der KZ-Außenlager die Geschichte anhand von 52 Exponaten aus ganz Österreich. Ein Kooperationsprojekt zwischen Museen, Archiven, Bibliotheken sowie Gedenkinstitutionen und der KZ-Gedenkstätte Mauthausen. Das SÜDBAHN Museum ist Teil dieses Projektes.

Eisenbahn und Krieg

Postkarte aus dem ersten Weltkrieg © SÜDBAHN MuseumIn der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit Bau der ersten Eisenbahnlinien verfasste Daniel Friedrich List, einer der bedeutendsten deutschen Wirtschaftstheoretiker des 19. Jahrhunderts, eine Abhandlung „Über ein sächsisches Eisenbahn-System als Grundlage eines allgemeinen deutschen Eisenbahn-Systems“ 1. Als Ökonom war List ein Vorkämpfer für das Eisenbahnwesen. In dieser Abhandlung träumte List von einem Eisenbahnnetz, das die europäischen Handelszentren von Südspanien bis Russland miteinander verband. Seine Hoffnung war: „Dass durch die Eisenbahn der Krieg aus dem Leben der befreundeten und kultivierten Nationen verbannt wird.“

Drei Jahre später veröffentlichte List in seinem „Eisenbahn Journal“ einen Artikel mit dem Titel „Deutschlands Eisenbahnsystem in militärischer Beziehung“ 2. Darin führte List den militärischen Aspekt zum Ausbau des Eisenbahnnetzes an. Er schreibt: „… muß schon dem gesunden Menschenverstande des Laien ein vollständiges, auf das ganze Territorium einer großen Nation ausgedehntes Eisenbahnsystem als eine Maschine erscheinen, welche die Verteidigungskräfte derselben bis an zu einem Grade zu vervollkommnen geeignet ist, der kaum noch etwas zu wünschen übrig läßt und in der Wirkung einen dreifachen Kranz von Festungen weit übertrifft. Schon durch die Bedürfnisse der Industrie und des Verkehrs werden die Eisenbahnsysteme großer Kontinentalnationen sich netzartig gestalten, so daß sie sich auf den Hauptpunkten im Innern konzentrieren und von dem Mittelpunkt nach den Hauptgrenzpunkten ausstrahlen; schon diese Bedürfnisse werden im Frieden einen Fahrapparat erfordern, der zu Kriegszeiten ziemlich weit reichen dürfte, die größten Massen von Truppen, von Artillerie, Munition und Proviant fortzuschaffen….“

List sprach dem Verkehrsmittel Eisenbahn lediglich defensiven Charakter zu. Weiter heißt es: „Die erste und größte Hauptwirkung der Eisenbahnsysteme in dieser Beziehung ist demnach die, daß die Invasionskriege aufhören; es kann nur noch von Grenzkriegen die Rede sein.“ Diese Gedanken blieben ein frommer Wunsch. Seine Vorstellungen wurden nicht realisiert.

 

 

Bildkarte aus dem Ersten Weltkrieg © SÜDBAHN MuseumEs veränderte sich die militärische Bedeutung von Eisenbahnen im Laufe der Zeit zunehmend. Die ersten Eisenbahnen wurden noch aus kommerziellen Interessen entlang überregionaler Handelsrouten errichtet. Die strategische Bedeutung der Eisenbahn wurde jedoch rasch erkannt. Strategische Eisenbahnstrecken dienten nicht ausschließlich einem zivilen Verkehrsbedürfnis, sondern wurden auch aus militärischen Gründen erbaut und betrieben. Während des Krimkriegs (1853-1856) wurde die erste rein militärische Eisenbahn gebaut. Ebenso belegen Dokumente aus dem Jahr 1854 die ersten Überlegungen innerhalb der k.u.k. Monarchie zu den militärischen Beziehungen der Haupt-Eisenbahnzüge. In einem Eisenbahnnetz-Entwurf wurden jeweils drei Korridore von Osten nach Westen und von Süden nach Norden vorgeschlagen, welche beide Reichshälften der Monarchie überspannen sollten.

Die Eisenbahn wurde somit von Beginn an in die Strategien der Armeen eingebunden und war von entscheidender Bedeutung für die Kriegslogistik, insbesondere bei der raschen Verlegung von Truppenverbänden und zur Versorgung der Truppen. Zur Übermittlung von Nachrichten. Zum Transport von Kriegsmaterialien. Und natürlich zu Propagandazwecken.

Während des ersten Weltkrieges diente die Südbahn dem Transport von Soldaten, Waffen und Munition an die italienische Front.

Propagandazug am Bahnhof SemmeringPropagandazug am Bahnhof Semmering © SÜDBAHN Museum, Sammlung PompeDem Jubel der in den Krieg ziehenden Soldaten folgt die Ernüchterung der Zerstörungen, insbesondere in beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts. Schon vor und erst recht während des Zweiten Weltkrieges wurden die Eisenbahnen entsprechend den Ideologien der NS-Machthaber instrumentalisiert. Die Eisenbahn diente als Werbefläche für die politische Gesinnung. Menschen und Material wurden an die Fronten verlegt und auf diese Weise sind Millionen von Menschen fahrplanmäßig in den Tod befördert worden.

Im Zweiten Weltkrieg hatte in Europa die Eisenbahn ihr dunkelstes Kapitel geschrieben: die fahrplanmäßige Deportation von Menschen zu deren Ermordung: Ein Viertel Quadratmeter Bodenfläche in überfüllten Güterwagen für einen Menschen während der Fahrt über mehrere Tage, tausende Kilometer lang, zu den Vernichtungslagern.

2012 begannen die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) mit der Aufarbeitung ihrer Geschichte in den Jahren 1938-1945 mit dem Ausstellungsprojekt "Verdrängte Jahre - Bahn und Nationalsozialismus in Österreich 1938 - 1945". 3

Noch heute kommt der Eisenbahn während kriegerischer Handlungen große Bedeutung zu. Wir haben alle noch die Flüchtlingszüge aus den Kampfgebieten der Ukraine vor Augen. Bereits in den ersten Tagen nach Beginn des Überfalls waren Hunderttausende auf der Flucht. Viele traten die Flucht aus der Heimat mit der Eisenbahn an. Bahnunternehmen in mehreren Staaten ließen ukrainische Flüchtlinge kostenlos mit dem Zug fahren. Ein gut funktionierendes Eisenbahnnetz spielt auch heute eine entscheidende Rolle in militärischen Konflikten – sowohl für die Verteidigung als auch für den Nachschub und Truppenverlegungen.4

Die Geschichte der Eisenbahn zeigt, wie eng technologischer Fortschritt, wirtschaftliche Entwicklung und militärische Nutzung miteinander verwoben waren und sind. Vielleicht sollten wir uns der Visionen Daniel Friedrich List, dass durch die Eisenbahn der Krieg aus dem Leben der befreundeten und kultivierten Nationen verbannt wird, mehr Bedeutung beimessen, denn „da Kriege im Geiste der Menschen entstehen, muss auch der Friede im Geiste der Menschen verankert werden.“ 5

Die Friedenstaube als Lokomotivschild nach Ende des Zweiten WeltkriegesDie Friedenstaube als Lokomotivschild nach Ende des Zweiten Weltkrieges

List, Friedrich: Über ein sächsisches Eisenbahn-System als Grundlage eines allgemeinen deutschen Eisenbahn-Systems. 1833

List, Friedrich: Deutschlands Eisenbahnsystem in militärischer Beziehung, in: Eisenbahn-Journal und National-Magazin für neue Erfindungen, Entdeckungen und Fortschritte im Handel und Gewerbe, in der Land- und Hauswirthschaft, in öffentlichen Unternehmungen und Anstalten, sowie für Statistik, Nationalökonomie und Finanzwesen. Hammer, Altona/Leipzig 1835–1837

3 Verdrängte Jahre - Bahn und Nationalsozialismus in Österreich 1938 - 1945

Mölling, Christian und Rácz, András: Eisenbahn: Schlüssel-Logistik der Russen? 07.03.2024

Österreichische UNESCO Kommission: 75 Jahre UNESCO: Frieden im Geiste der Menschheit verankern

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