Der Fahrpark der k. k. südl. Staatsbahn (SStB)
von Mürzzuschlag nach Graz
Mit April 2024 erhält das SÜDBAHN Museum vom Technischen Museum Wien eine weitere Lokomotive als Leihgabe.
Die Dampflokomotive Steinbrück kommt nach 160 Jahren wieder zurück zu ihrem ursprünglichen Wirkungsbereich.
Der RAILBlog im Jänner und Februar 2024 beschäftigt sich mit dem Fahrpark der k. k. südlichen Staatseisenbahn. Teil 1 widmet sich den Lokomotiven und Teil 2 den Waggons. Der veröffentlichte RAILBlog bezieht sich auf einen Artikel von Sepp Tezak (1923-2013), einem der größten Südbahnkenner der Steiermark.
Die Lokomotiven (Teil 1) *
Bei Anbeginn der Lokomotiveisenbahnära in Österreich gab es noch keine bodenständige Lokomotivproduktion, weshalb die Triebfahrzeuge im Ausland beschafft werden mussten. So war es nicht weiter verwunderlich, dass bei Eröffnung der ersten Teilstrecken der Eisenbahn von Wien nach Gloggnitz – und von Mürzzuschlag nach Graz – eine Anzahl englischer und amerikanischer „Dampfwagen“, wie damals die Lokomotiven auch genannt wurden, vorhanden waren.
Im September 1842 wurde mit dem Bau der k. k. südlichen Staatsbahn (SStB) – zwischen Mürzzuschlag und Graz – begonnen und ein Jahr später die Betriebsführung vertraglich pachtweise der Wien-Gloggnitzer Eisenbahngesellschaft unter dem Titel „Betriebsunternehmen der k. k. südlichen Staatsbahn“ übertragen. Es ist daher naheliegend und verständlich, dass die ersten Lokomotiven und Wagen von der gesellschaftlichen Maschinenfabrik der Wien-Gloggnitzer Bahn hergestellt wurden.
Der Eröffnungszug am 24. Oktober 1844 von Mürzzuschlag nach Graz wurde von der Dampflokomotive Grätz gezogen.
Der Erstauftrag über 16 Lokomotiven, 224 Wagen und 13 Schneepflüge wurde relativ spät vergeben, sodass nur unter Aufbietung aller verfügbaren Kräfte, Zuhilfenahme der Bahnbetriebswerkstätten in Wiener Neustadt und Gloggnitz und Annahmestopps anderweitiger Bestellungen die gesetzte Lieferfrist von sechs Monaten teilweise eingehalten werden konnte und bei der Eröffnung des Teilabschnittes Mürzzuschlag-Graz wenigstens sechs Maschinen und 53 Wagen zur Verfügung standen. Die restlichen Fahrzeuge wurden bis Mitte 1845 ausgeliefert.
Bei diesen Lokomotiven handelte es sich wieder um 2A-Bauarten, die in verstärkter Ausführung mit höherer Leistung und ebensolchem Dienstgewicht sowie mit unterschiedlichem Treibraddurchmesser noch die Norris-Type zum Vorbild hatten. Sie waren imstande, Personenzüge bis 115 Tonnen und Güterzüge bis 165 Tonnen bei einer Steigung von 8 ‰ gut zu befördern. 1846 wurde nochmals eine Lokomotive dieser Bauart in Dienst gestellt.
Ob es sich tatsächlich um die ersten auf der südlichen Staatsbahn eingesetzten Lokomotiven handelt, steht nicht mit Sicherheit fest. Die Fachliteratur berichtet auch, dass Probefahrten zwischen Mürzzuschlag und Graz bereits im September 1844 mit zwei Maschinen aus Wiener Neustadt vorgenommen wurden. Geeignete Dokumente waren aber bisher nicht aufzufinden. In den Zeitungen ist nur von einer „österreichischen Locomotiv“ die Rede. Fest steht lediglich, dass die 1842 eröffnete Lokomotivfabrik W. Günther, Wiener Neustadt, 1842/43 sechs 2A-Lokomotiven für die k. k. nördliche Staatsbahn gebaut hatte, die aber erst 1845 den Betrieb aufnehmen konnte. Es erscheint daher die Annahme gerechtfertigt, dass die fertiggestellten Maschinen zur Gänze oder teilweise aushilfsweise zur südlichen Staatsbahn kamen, zumal Haswell die Lieferfristen nicht einhalten konnte und dort demnach Lokomotivmangel herrschte.
Haswell hatte die ungekuppelte Drehgestelllokomotive von Norris weiterentwickelt und, wie erwähnt, zweifachgekuppelte Maschinen bei Beibehaltung des Drehgestells konstruiert und gebaut. Die langen und größeren Steigungen im Mürztal erforderten dringend stärkere Lokomotiven, weshalb neun dieser 2B-Maschinen von der gesellschaftlichen Maschinenfabrik an die südliche Staatsbahn geliefert wurden.
Offenbar waren die beiden großen Lokomotivfabriken in Österreich nicht mehr in der Lage, den Wünschen ihrer Auftraggeber gerecht zu werden, wurden doch im ganzen Reichsgebiet immer mehr Eisenbahnen gebaut. So wurden 1846 weitere 22 Stück 2B-Maschinen bei Norris beschafft. Die Überlegenheit des Zweikupplers war augenscheinlich, sodass 1853/54 einige 2A-Maschinen versuchsweise auf 2B umgebaut wurden. Da die Kesselabmessungen gleich geblieben waren, wurde doch nicht die erhoffte Mehrleistung erzielt, sodass weitere derartige Umbauten unterblieben.
Der weitere Baufortschritt südlich des Semmerings bedingte neuerliche Lokomotivbestellungen. In der Folge wurde daher eine große Anzahl der bewährten 2B-Lokomotiven von der Maschinenfabrik der Wien-Gloggnitzer Bahn ab 1848 geliefert, die sich nur geringfügig durch mehr oder minder große Zylinder- und Treibradabmessungen, unterschiedliche Kesseldimensionen sowie schräge oder waagrechte Zylinderanordnungen unterschieden.
Entsprechend der Zylindergröße wurden die 2B-Maschinen in „kleine oder große Gloggnitzer“ und „kleine oder große Norris“ eingeteilt, ohne dabei den kleineren oder größeren Treibraddurchmesser zu berücksichtigen. Im Prinzip war bereits festzustellen, dass die Staatsbahnverwaltung versuchte, eine gewisse Vereinheitlichung des Fahrparks durchzuführen.
Die Lokomotive Steinbrück, eine der „kleinen Gloggnitzer“, ist erhalten geblieben und stellt in diesem Zusammenhang ein besonders wertvolles Stück österreichischer Eisenbahngeschichte dar: sie ist die älteste erhaltene Dampflok österreichischer Fertigung!
Zwischenzeitlich hatte der Staat den Betrieb auf der SStB 1851 und 1853 die Wien-Gloggnitzer Bahn eingelöst und damit den Betrieb auch dort übernommen. Die beiden Streckenabschnitte – Wien-Gloggnitz und Mürzzuschlag-Graz – noch getrennt durch den Semmering, bildeten darauf die I. und II. Sektion der SStB. Die weiteren ab 1853 erfolgten Nachbestellungen von Lokomotiven waren für die I. Sektion bestimmt. Haswell lieferte dabei nochmals ein Kontingent von 2B-Maschinen aus.
Auflistung der Lokomotiven der SStB:
Name | Achsfolge | Kategorie | Hersteller | Fabriksnummer | Baujahr | Südbahn Bezeichnung |
Grätz | 2A | II | Haswell | 17 | 1844 | SB 857 |
Leoben | 2A | II | Haswell | 18 | 1844 | SB 858 |
Brandhof | 2A | II | Haswell | 19 | 1844 | SB 855 |
Vordernberg | 2A | II | Haswell | 20 | 1844 | SB 836 |
Eisenerz | 2A | II | Haswell | 21 | 1844 | SB 856 |
Mariazell | 2A | II | Haswell | 22 | 1845 | SB 862 |
Kindberg | 2A | II | Haswell | 23 | 1845 | SB 859 |
Badl | 2A | II | Haswell | 24 | 1845 | SB 854 |
Pettau | 2A | II | Haswell | 25 | 1845 | SB 860 |
Marburg | 2A | II | Haswell | 26 | 1845 | SB 861 |
Peggau | 2A | II | Haswell | 27 | 1845 | SB 863 |
Villach | 2A | II | Haswell | 28 | 1845 | SB 864 |
Straßengel | 2A | II | Haswell | 29 | 1845 | SB 834 |
Weixelburg | 2A | II | Haswell | 30 | 1845 | SB 831 |
Krainburg | 2A | II | Haswell | 31 | 1845 | SB 832 |
Aussee | 2A | II | Haswell | 32 | 1845 | SB 833 |
Laibach | 2A | II | Haswell | 42 | 1846 | SB 835 |
Admont | 2B | III | Haswell | 33 | 1845 | SB 865 |
Adria | 2B | III | Haswell | 34 | 1845 | SB 866 |
Leitersberg | 2B | III | Haswell | 35 | 1845 | SB 871 |
Drau | 2B | III | Haswell | 36 | 1845 | SB 867 |
Kärnten | 2B | III | Haswell | 37 | 1845 | SB 869 |
Krain | 2B | III | Haswell | 38 | 1845 | SB 870 |
Straß | 2B | III | Haswell | 39 | 1845 | SB 873 |
Enns | 2B | III | Haswell | 40 | 1845 | SB 868 |
Lippoglau | 2B | III | Haswell | 41 | 1845 | SB 872 |
Gleichenberg | 2B | III | Norris, USA | 310 | 1846 | SB 887 |
Bruck | 2B | III | Norris, USA | 311 | 1846 | SB 886 |
Mur | 2B | III | Norris, USA | 312 | 1846 | SB 891 |
Mürz | 2B | III | Norris, USA | 313 | 1846 | SB 892 |
Mürzzuschlag | 2B | III | Norris, USA | 314 | 1846 | SB 893 |
Kapfenberg | 2B | III | Norris, USA | 315 | 1846 | SB 890 |
Langenwang | 2B | III | Norris, USA | 316 | 1846 | SB 889 |
Neuberg | 2B | III | Norris, USA | 317 | 1846 | SB 888 |
Wartberg | 2B | III | Norris, USA | 318 | 1846 | SB 894 |
Stainz | 2B | III | Norris, USA | 319 | 1846 | SB 895 |
Ocean | 2B | III | Norris, USA | 331 | 1846 | SB 879 |
Save | 2B | III | Norris, USA | 332 | 1846 | SB 881 |
Großglockner | 2B | III | Norris, USA | 333 | 1846 | SB 877 |
Donau | 2B | III | Norris, USA | 334 | 1846 | SB 876 |
Terglov | 2B | III | Norris, USA | 335 | 1846 | SB 833 |
Idria | 2B | III | Norris, USA | 336 | 1846 | SB 874 |
Timavo | 2B | III | Norris, USA | 337 | 1846 | SB 884 |
Pack | 2B | III | Norris, USA | 338 | 1846 | SB 880 |
Loibl | 2B | III | Norris, USA | 339 | 1846 | SB 878 |
Istria | 2B | III | Norris, USA | 340 | 1846 | SB 875 |
Tergesteo | 2B | III | Norris, USA | 341 | 1846 | SB 892 |
Wechsel | 2B | III | Norris, USA | 342 | 1846 | SB 885 |
Cilli | 2B | III | Haswell | 86 | 1848 | SB 811 |
Steinbrück | 2B | III | Haswell | 87 | 1848 | SB 827 |
Tüffer | 2B | III | Haswell | 92 | 1848 | SB 828 |
Rohitsch | 2B | III | Haswell | 93 | 1848 | SB 823 |
Klagenfurt | 2B | III | Haswell | 94 | 1848 | SB 818 |
Treffen | 2B | III | Haswell | 95 | 1848 | SB 825 |
Sagor | 2B | III | Haswell | 98 | 1848 | SB 824 |
Prevali | 2B | III | Haswell | 99 | 1848 | SB 821 |
Wolfsberg | 2B | III | Haswell | 100 | 1848 | SB 829 |
Ferlach | 2B | III | Haswell | 101 | 1848 | SB 814 |
Rann | 2B | III | Haswell | 103 | 1848 | SB 822 |
Adelsberg | 2B | III | Haswell | 104 | 1848 | SB 809 |
Zirknitz | 2B | III | Haswell | 107 | 1849 | SB 830 |
Pontafel | 2B | II | Haswell | 108 | 1849 | SB 820 |
Planina | 2B | III | Haswell | 109 | 1849 | SB 844 |
Gottschee | 2B | III | Haswell | 110 | 1849 | SB 839 |
Leibnitz | 2B | III | Haswell | 111 | 1849 | SB 841 |
Karst | 2B | III | Haswell | 112 | 1849 | SB 840 |
Pragerhof | 2B | III | Haswell | 113 | 1849 | SB 847 |
Wannersdorf | 2B | III | Haswell | 114 | 1849 | SB 853 |
Reiffenstein | 2B | III | Haswell | 115 | 1849 | SB 849 |
Salloch | 2B | III | Haswell | 116 | 1849 | SB 850 |
Spielfeld | 2B | III | Haswell | 117 | 1849 | SB 851 |
St. Georgen | 2B | III | Haswell | 118 | 1849 | SB 838 |
St. Andrä | 2B | III | Haswell | 119 | 1849 | SB 852 |
Mühlstadt | 2B | III | Haswell | 123 | 1849 | SB 842 |
Pirano | 2B | III | Haswell | 124 | 1849 | SB 843 |
Pola | 2B | III | Haswell | 125 | 1849 | SB 845 |
St. Veit | 2B | III | Haswell | 126 | 1850 | SB 846 |
Triest | 2B | III | Haswell | 127 | 1850 | SB 837 |
Quarnero | 2B | III | Haswell | 128 | 1850 | SB 848 |
Judenburg | 2B | II | Haswell | 131 | 1850 | SB 817 |
Eibiswald | 2B | II | Haswell | 129 | 1850 | SB 813 |
Görz | 2B | II | Haswell | 132 | 1850 | SB 816 |
Bleiburg | 2B | II | Haswell | 133 | 1850 | SB 810 |
Duino | 2B | II | Haswell | 135 | 1850 | SB 812 |
Monfalcone | 2B | II | Haswell | 136 | 1850 | SB 819 |
San | 2B | II | Haswell | 130 | 1850 | SB 826 |
Gradisca | 2B | II | Haswell | 134 | 1850 | SB 815 |
Der RAILBlog über das Wagenmaterial (Teil 2) folgt im Februar.
* (Auszug aus dem Artikel „Die Fahrbetriebsmittel der Südbahn Wien-Triest“ von Sepp Tezak, in: Die Südbahn. Vom Donauraum zur Adria, Graz 1987)