1854-2024 Semmeringbahn
Revolutionäre Bahnstrecke
Als erste Hochgebirgseisenbahn der Welt revolutionierte die Semmeringeisenbahn den Schienenverkehr und stellt damit einen bedeutenden Meilenstein in der Geschichte des Schienenverkehrs und der Industrialisierung dar. Erbaut zwischen 1848 und 1853, überwindet die Semmeringeisenbahn die Nördlichen Kalkalpen auf 894m Seehöhe. Durch die damit verbundene Erschließung der Region entwickelte sich das Gebiet zu einer beliebten Ausflugs- und Erholungsdestination mit charakteristischer Villen- und Hotelarchitektur der Jahrhundertwende in harmonischem Wechselspiel mit der umgebenden, hochalpinen Landschaft.
Allgemeines
Gegen Mitte des 19. Jahrhunderts, im Zuge der weitreichenden Industrialisierung in Europa, wurde die verkehrstechnische Erschließung der österreichisch-ungarischen Monarchie mithilfe der noch jungen Technologie der Eisenbahn vorangetrieben. Der Bau einer Bahnverbindung zwischen der Hauptstadt Wien und der Hafenstadt Triest via Graz und Ljubljana war dabei nicht nur von besonderer Bedeutung, sondern vor allem auch mit einer großen Herausforderung verbunden, nämlich der Überquerung der Alpen.
Zwischen 1848 und 1853 gelang dem italienischstämmigen Ingenieur Carl Ritter von Ghega der Bau des fehlenden Teilstücks über den Semmering zwischen Gloggnitz (NÖ) und Mürzzuschlag (Stmk). Mithilfe innovativer Planung und der Errichtung von 14 Tunneln, 16 Viadukten und über 100 Überführungen gelang es Ghega einen Höhenunterschied von mehr als 450m zu überwinden – im 19. Jahrhundert eine noch nie dagewesene technische Pionierleistung. Auch die dafür notwendigen Lokomotiven mussten erst im Rahmen eines internationalen Wettbewerbs eigens für diese Strecke entwickelt und gefertigt werden. Die erhaltenen, historischen Dokumente, die bis heute Aufschluss über Planung und Bau der Semmeringeisenbahn geben, sind Teil des UNESCO-Weltdokumentenerbes.
Die neue Form des Reisens und die damit verbundene leichte Erreichbarkeit dieser landschaftlich und klimatisch reizvollen Region führten dazu, dass sich der Semmering rasch zu einer bedeutenden Destination für Bourgeoisie und Adel aus der gesamten Habsburgermonarchie entwickelte. Entlang der neuen Bahnstrecke wurde der Semmering für touristische Zwecke erschlossen, Luxushotels wurden ebenso im charakteristischen „Semmeringstil“ errichtet wie private Landhäuser und Villen. Nicht zuletzt die illustren Gäste, Aristokraten, Künstler und Literaten, etwa Johannes Brahms, Gustav Mahler, Franz Werfel, Oskar Kokoschka oder Josephine Baker, formten und festigten Ruf und Berühmtheit der Region Semmering. 1
Die Semmeringbahn
ein Kulturgut mit universellem Wert für die Menschheit
Am 02. Dezember 1998 fand in Kyoto, Japan die 22. Sitzung des Welterbekomitees statt. Im Zuge dieser Sitzung erfolgte die Aufnahme der Semmeringbahn in die UNESCO Welterbeliste. Soweit Großteils bekannt.
Was aber wenigen bekannt ist:
- die Semmeringbahn wurde bereits 1923 kraft gesetzlicher Vermutung unter Denkmalschutz gestellt;
- die Semmeringbahn wurde im Jänner 1993 von den Ländern Niederösterreich und Steiermark zur Nominierung an die UNESCO vorgeschlagen, bereits drei Wochen nachdem die Republik Österreich die Ratifizierung der UNESCO unterzeichnete und zwei Monate bevor für Österreich das UNESCO Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes in Kraft trat;
- und schlussendlich entschied die Republik Österreich im Jahr 1995 die Einreichung der Semmeringbahn, zeitgleich mit der Altstadt von Salzburg und dem Schloss Schönbrunn als potenzielle erste Welterbestätten Österreichs.
Kraft gesetzlicher Vermutung
„Wegen des Protypcharakters der Semmeringbahn als erste Hochgebirgseisenbahn der Welt stellte sich schon frühzeitig die Frage nach der Bedeutung dieses Bauwerks.“ 2
1923 wurde das österreichische Denkmalschutzgesetz beschlossen. Damals wurden, laut den §§ 1 und 2 alle „im alleinigen oder überwiegenden Teil des Staates befindlichen Bauwerke“ unter Denkmalschutz gestellt. 1923 befand sich die Semmeringbahn jedoch noch im Eigentum der Donau-Save-Adria-Eisenbahngesellschaft, welche nach Ende des ersten Weltkrieges und Aufteilung der Südbahn-Gesellschaft in die Nachfolgestaaten als Rechtsnachfolgerin in Österreich fungierte. Darum wurde die Semmeringbahn kraft gesetzlicher Vermutung unter Schutz gestellt. Die §§ 4 und 5 beziehen sich hierbei auf bauliche Veränderungen, welche immer eine Zustimmung des österreichischen Denkmalamtes bedürfen. Mehr als 70 Jahre später – am 17. März 1997 – erfolgte die bescheidmäßige Unterschutzstellung der Semmeringbahn von Gloggnitz nach Mürzzuschlag. Die beiden Endstationen wurden explizit aus der Unterschutzstellung herausgenommen. Diese erfolgten Jahre später – 2006 – im Bereich des heutigen SÜDBAHN Museums und 2007 die Aufnahmegebäude Gloggnitz und Mürzzuschlag.
UNESCO Welterbe Semmeringeisenbahn
1972 beschloss die UNESCO das „Übereinkommen zum Schutz des Natur- und Kulturerbes der Welt“. Damit sollen Landschaften besonderer Schönheit und Vielfalt, aber auch Zeugnisse vergangener und bestehender Kulturen vor Zerstörung oder Verfall geschützt und für kommende Generationen erhalten werden. 3
Die Republik Österreich unterzeichnete die Ratifizierungsurkunde am 18. Dezember 1992 und am 18. März 1993 trat das UNESCO Übereinkommen für Österreich in Kraft. In diesem Zusammenhang herausragend ist die Tatsache, dass bereits im Jänner 1993 die Länder Niederösterreich und Steiermark als auch das zuständige Bundesministerium die Aufnahme der Semmeringbahn in die Nominierungsliste vorschlug. Bereits im September und November dieses Jahres haben die beiden Bundesländer die Nominierung der Semmeringbahn als Welterbestätte dem Bund eingereicht. Damit bildete die Semmeringbahn die erste österreichische Nominierung einer potenziellen Welterbestätte.
Nach der offiziellen Einreichung im März 1995 beschloss die UNESCO eine Vergleichsstudie mit anderen weltweit bedeutenden Eisenbahnlinien zu erstellen. Auch in diesem Zusammenhang setzte die Semmeringbahn neue Maßstäbe, denn bis dato befand sich keine Eisenbahnstrecke auf der Welterbeliste. Im Herbst 1998 wurde die Vergleichsstudie abgeschlossen und am 2. Dezember 1998 wurde die Semmeringbahn offiziell aufgenommen.
Die Kriterien
Die Semmeringbahn wurde 1998 mit einer Kernzone von 156 ha Fläche und einer umgebenden Pufferzone von 8,581 ha Fläche in die Liste des UNESCO Welterbes aufgenommen. Dies umfasst eine Strecke von 41 km von Mürzzuschlag, über den Semmering bis Gloggnitz mitsamt dazugehörigen Viadukten, Brücken und Tunneln und Bahngebäuden.
(ii) Die Semmeringeisenbahn steht für eine herausragende technische Lösung eines physikalischen Problems in der Konstruktion von früheren Eisenbahnen.
(iv) Mit der Errichtung der Semmeringeisenbahn wurden Gebiete von großer Naturschönheit leichter zugänglich und für Wohnbau und Erholung erschlossen; dies führte zu einer Schaffung einer neuen Landschaftsform. 4
1: UNESCO
2: Die Semmeringbahn, Günter Dinhobl S. 155
3: UNESCO
4: detto